Fachtagung „Erbbaurechte – ein Beitrag für mehr bezahlbaren Wohnraum?!“ in Berlin

house-7124141_1280

Rund 150 Personen waren gekommen, um am 02.04.2019 in Berlin an der Fachtagung „Erbbaurechte – ein Beitrag für mehr bezahlbaren Wohnraum?!“ teilzunehmen. Sie bildete den Abschluss des „Fachdialogs Erbbaurechte“, den der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumforschung e.V. (DV) im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat durchgeführt hatte. Die Tagung startete mit Grußworten von Monika Thomas, Abteilungsleiterin im Bundesinnenministerium, sowie Michael Groschek, neuer Präsident des DV.

Das Erbbaurecht als „attraktives Produkt“

Dr. Matthias Nagel, der Geschäftsführer des Deutschen Erbbaurechtsverbandes, erklärte zunächst für alle Teilnehmenden die „Basics“ des Erbbaurechts. Dabei appellierte er an die Erbbaurechtsausgeber, die Verträge so zu gestalten, dass sie für beide Seiten vorteilhaft sind. Denn letzten Endes gehe es darum, ein attraktives Produkt zu schaffen.

Rund 4.500 Erbbaurechte verwaltet die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) derzeit. Ihre aktuelle Strategie stellte Dr. Christoph Krupp, der Sprecher des Vorstands, vor. Zunächst mahnte er an, die fundamentalen Dinge nicht außer Acht zu lassen. Denn: „Gegen zu wenig Wohnungen helfen nur mehr Wohnungen. Und gegen zu teure Wohnungen helfen auch nur mehr Wohnungen.“

Den Erstzugriff auf alle Grundstücke, die die BIMA verkauft, haben grundsätzlich die Kommunen. 2018 gingen auf diese Weise rund 50 Prozent aller Verkäufe an Städte und Gemeinden. Hierbei erfolgt die Vergabe in aller Regel nicht im Erbbaurecht. Darüber hinaus möchte die BIMA selbst noch mehr Wohnungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundes bauen. Insofern spielt nach Krupps Ausführungen die Vergabe neuer Erbbaurechte für die BIMA momentan eine untergeordnete Rolle.

Vergabe für Eigenheime überwiegt deutlich

Christian Huttenloher, Generalsekretär des DV, stellte die Studie zum „Fachdialog Erbbaurechte“ vor, an der sich 2018 49 Kommunen beteiligt haben. Ein Ergebnis: Erbbaurechte werden überwiegend für Eigenheime vergeben – und nur in geringem Maße für den Mietwohnungsbau. Allgemein ist aber eine Renaissance des Erbbaurechts zu beobachten: Viele Städte wollen es künftig stärker einsetzen, und zwar auch für den bezahlbaren Mietwohnungsbau. Für den Erfolg dieser Maßnahmen sind allerdings die richtigen Konditionen entscheidend.

Den nächsten Impuls lieferte Professor Dr. Arno Bunzel, stellvertretender Institutsleiter des Deutschen Instituts für Urbanistik (DiFu). Das DiFu begleitet aktuell einige Städte bei der Neugestaltung ihrer Bodenpolitik. Seine Erfahrung: Das Erbbaurecht ist zwar nur einer von vielen Bausteinen der Bodenpolitik. Aber es erhält aktuell mehr und mehr Aufmerksamkeit. Die Motivation dahinter ist es, die Wertschöpfung von Grund und Boden für den öffentlichen Sektor zu erhalten und den Zugriff auf die Flächen zu sichern.

Erfahrungsberichte aus der Praxis lieferten

  • Dr. Heike Opitz, Abteilungsleiterin in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen der Hansestadt Hamburg,
  • Tanja Peikert, Leitung Immobilienservice der Stadt München,
  • Sigrid Landsmann, Abteilungsleiterin für Vermarktung, Wohnraumförderung und Erbbaurechte der Stadt Wolfsburg sowie
  • Oliver Koczy vom Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung der Stadt Leipzig.

Professor Dr. Dirk Löhr von der Hochschule Trier stellte den Zuhörerinnen und Zuhörern vor, was der Theorie nach ein marktgerechter Erbbauzins wäre. Sein Appell: die Kräfte des Marktes nutzen, anstatt gegen sie zu arbeiten!

Grundstücke dem Markt entziehen

Die Stiftung Edith Maryon entzieht Grundstücke dem Markt und stellt sie über das Erbbaurecht dem Mietwohnungsmarkt zur Verfügung. Im Zentrum steht der soziale Nutzwert. Aus der Erfahrung dort berichtete Dr. Ulrich Kriese. Stefan Anspach von der Montag Stiftung Urbane Räume erklärte, wie seine Stiftung Erbbaurechte nutzt, um ganze Stadtteile zu entwickeln.

Die Stadt Freiburg im Breisgau hat 2018 erstens beschlossen, Grundstücke mit auslaufenden Erbbaurechten nicht mehr zu verkaufen. Zweitens sollen neue Grundstücke nur noch über Erbbaurechte vergeben werden. Die Gründe dafür stellte Bruno Gramich, Amtsleiter für Liegenschaften und Wohnungswesen in Freiburg, vor. Demnach möchte die Stadt langfristig Einfluss auf die Nutzung und die Miethöhen nehmen können.

„Fan des Erbbaurechts“

Aus Sicht der Wohnungswirtschaft berichtete Dirk Braune, Geschäftsführer der Kreisbaugruppe aus Waiblingen. Er bezeichnet sich selbst als „Fan des Erbbaurechts“. Sein Unternehmen hat ein kommunales Erbbaurecht erworben, das die ersten 50 Jahre zinsfrei ist. Im Gegenzug muss es sich an den vorgeschriebenen Verwendungszweck halten. Die Stadt erhält „harte Belegungsrechte“.

Die Perspektive der Banken gab Jürg Schönherr von der DZ HYP AG wieder. Fazit: Solange der Markt so ist wie im Moment, muss die Bewertung von Erbbaurechten und Volleigentum unterschiedlich ausfallen.

Als „aktiver Erbbaurechtsnehmer“ bezeichnete Rui Mercadal Vieira sein Unternehmen, die Romulus Areal GmbH. Es entwickelt aktuell in Karlsfeld bei München „einen ganzen Stadtteil“ auf Erbbaurechten.

Sabine Georgi, Leiterin Business Development & Politikberatung bei der RICS Deutschland Ltd. schilderte die Sicht des Investoren-Verbandes auf das Erbbaurecht: Demnach können sich die Mitglieder Investitionen und Entwicklungen auf Erbbaurechtsgrundstücken durchaus vorstellen, wenn die Bedingungen wirtschaftlich sind. Hierzu hat die RICS im Februar 2019 das Positionspapier „Erbbaurecht stärken – Bauland aktivieren“veröffentlicht.

An der abschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Das Erbbaurecht im Mietwohnungsbau – ein Schlüssel für bezahlbares Wohnen“ nahmen außer Sabine Georgi

  • Johannes Baumgartner, erzbischöflicher Oberrechtsdirektor der Erzdiözese Freiburg,
  • Kay de Cassan, Fachbereichsleiterin Wirtschaft der Stadt Hannover,
  • Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW),
  • Ulrike Kost vom Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenamt in München,
  • Christian Stupka, Vorstand der Genossenschaftlichen Immobilienagentur München (GIMA) sowie
  • Monika Thomas, Abteilungsleiterin im Bundesinnenministerium

teil.

Am Ende des Tages wurde deutlich: Das Erbbaurecht kann auch im Mietwohnungsbau ein attraktives Instrument sein. Kommunen nutzen es überall in Deutschland wieder verstärkt, um den Zugriff auf ihre Grundstücke zu behalten. Doch auch die Erbbaurechtsnehmer müssen attraktive Konditionen vorfinden, damit auf den Grundstücken bezahlbarer Wohnraum entstehen kann.

Weitere Informationen zu den Ergebnissen des Fachdialogs Erbbaurechte

Aktuelles

Alle ansehen

Wir machen Weihnachtsurlaub

Müssen Erbbaurechte sozial sein?

Ohne Erbbaurecht keine EM: Vier von zehn EM-Stadien stehen auf Erbbaurechtsgrundstücken

Das Erbbaurecht als Instrument der kommunalen Bodenpolitik