Mehr als 100 Personen waren am 02. und 03. März 2020 zum 7. Erbbaurechtskongress des Deutschen Erbbaurechtsverbandes nach Mannheim gekommen.
Im Namen des Verbandes begrüßte Verbandspräsident Hans-Christian Biallas die Gäste. „Das öffentliche Interesse am Erbbaurecht ist deutlich gestiegen“, sagte er. Ein zweites Grußwort steuerte Mannheims Bürgermeister Lothar Quast bei. Er wies darauf hin, dass das Erbbaurecht ein wichtiger Baustein für die gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung sein könne. Denn so hätten die Kommunen die Möglichkeit, Bauland zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig handlungsfähig zu bleiben. Auch in Mannheim finde ein Umdenken in der Bodenpolitik statt, betonte Quast.
Dr. Christina Stresemann ist Vorsitzende Richterin am V. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH), dem sogenannten Grundstückssenat. Sie wies in ihrem Vortrag darauf hin, dass unbefristete Zweckbindungen an Grundstücken nur im Erbbaurecht möglich seien. Abgesehen davon seien 30 Jahre die zeitliche Obergrenze.
Über sozial gerechte Bodenpolitik sprach Dr. Andreas Dressel, Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Stadt hat 2019 ihre Konditionen für die Vergabe von Erbbaurechten neu geregelt: Der Erbbauzins für Wohnerbbaurechte liegt jetzt in der Regel bei 1,5 Prozent. Bei Vertragsablauf werden die Erbbaurechtsnehmer zu 100 Prozent entschädigt. Für Eigenheimbesitzer gibt es eine Sozialklausel, sodass bei Vertragsverlängerungen die Erbbaurechte auch weiterhin vertretbar bleiben. Wohnungsunternehmen können sehr frühzeitig die Erbbaurechtsverträge verlängern, wenn sie bestimmte Konditionen erfüllen.
Lösungen finden im Dialog
In der Podiumsdiskussion „Das Erbbaurecht als Instrument des bezahlbaren Wohnungsbaus?“ trafen unterschiedliche Positionen aufeinander: Thomas Kirsch vom Projektentwickler Epple GmbH schilderte, dass sein Unternehmen auf Erbbaurechtsgrundstücken durchaus erfolgreiche Projekte realisiere – wenn Zielgruppen und Standort passen. Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), wies darauf hin, dass das Erbbaurecht meist dann problematisch werde, wenn die Verträge auslaufen. Das gelte besonders für Genossenschaften. Deshalb müssten hierfür gute Lösungen gefunden werden. Auch sei es für die Mitgliedsunternehmen des GdW kein Vorteil, zu Beginn der Laufzeit das Eigenkapital nicht aufbringen zu müssen. Andreas Dressel betonte, dass in Hamburg gute Lösungen vor allem im Bündnis für das Wohnen – also im Dialog von Politik und Verwaltung mit der Wohnungswirtschaft – gefunden werden konnten. Auch mit den Bewohnerinnen und Bewohnern von Eigenheimen habe man sich im Gespräch einigen können. Matthias Nagel, der Geschäftsführer des Deutschen Erbbaurechtsverbands, fügte hinzu, dass gerade bei WEG-Erbbaurechten noch regulatorische Nachbesserungen notwendig seien. Die anschließende Diskussion mit dem Publikum drehte sich vor allem um die Gestaltung des Erbbauzinses und die Bereitschaft der Banken, Erbbaurechte zu finanzieren.
Den letzten Vortrag des ersten Kongresstages übernahmen Matthias Barthauer und Honoré Achille Simo vom Immobilienberatungsunternehmen Jones Lang Lasalle. Sie stellten die Ergebnisse einer Studie vor, die JLL in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Erbbaurechtsverband erstellt hat. Eine Erkenntnis daraus lautet: Investorinnen und Investoren stehen Erbbaurechten nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Es kommt aber auf die konkrete Ausgestaltung der Verträge an. Aus Investorensicht wäre zum Beispiel die Kopplung des Erbbauzinses an die Entwicklung der Mieten eine Option, um das Erbbaurecht attraktiver zu gestalten.
Die Perspektive der Wohnungswirtschaft
Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). Sie präsentierte die Sicht der Wohnungswirtschaft auf das Erbbaurecht. Demnach sei es problematisch, bezahlbare Mieten zu realisieren, wenn gleichzeitig ein Erbbauzins zu leisten sei. Dass die Immobilie am Ende der Laufzeit an den Erbbaurechtsgeber zurückfalle, sei ebenfalls für Wohnungsunternehmen „nicht erstrebenswert“. Insbesondere für viele große Genossenschaften sei das Erbbaurecht aus diesen Gründen „nicht geeignet“. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass gerade für die kleinen Genossenschaften Erbbaurechte aber eine gute Alternative zum Volleigentum darstellen können.
Eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz von Erbbaurechten ist nach Ansicht des GdW die Entschädigung zu 100 Prozent. Außerdem sprach sich Ingeborg Esser für eine retrograde Bestimmung des Erbbauzinses aus: „Wie hoch soll die Miete sein? Wie hoch darf dann der Erbbauzins sein?“
Professor Dr. Fabian Thiel von der University of Applied Sciences Frankfurt sprach über das Erbbaurecht als Instrument zur Steuerung der kommunalen Innenentwicklung. Er fragte: „Warum sollten Städte überhaupt Flächen verkaufen?“ Probleme bei der Vergabe von Erbbaurechten sieht er unter anderem in der Wertermittlung.
Helge Beckmann von der Investitions- und Förderbank Niedersachsen (NBank) schilderte, wie sein Institut die Finanzierung von Grundstücken gestaltet, wenn diese anschließend im Erbbaurecht für den geförderten Wohnungsbau genutzt werden. In Niedersachsen geschieht dies mit Mitteln aus dem Wohnraumförderungsfonds.
Den letzten Vortrag des Kongresses übernahmen Thomas Kirsch, Geschäftsführer des Projektentwicklers Epple GmbH, sowie Fred Wittmann, Direktor der Pfälzer Katholischen Kirchenschaffnei Heidelberg, die zahlreiche Erbbaurechte verwaltet. Beide Organisationen haben verschiedene Projekte zusammen durchgeführt, die sie den Kongressgästen vorstellten. Ihre Erfahrung: Es lohnt sich, mit einem Bauträger zusammenzuarbeiten, „wenn der das Erbbaurecht kennt und verstanden hat“.
Fortsetzung 2021 in Fulda
„Erbbaurechte lösen eine Verantwortung aus. Diese liegt sowohl bei den Erbbaurechtsnehmern als auch bei den Erbbaurechtsgebern“, resümierte Ingo Strugalla, der Vizepräsident des Deutschen Erbbaurechtsverbandes in seinem Schlusswort.
Der Termin für den Erbbaurechtskongress 2021 steht bereits: Er findet am 08. und 09. Februar 2021 in Fulda statt.