Dialog über die Bewertung von Erbbaurechten

Im Januar 2021 hatte der Deutsche Erbbaurechtsverband e. V. Experten für die Bewertung von Erbbaurechten zu einer Online-Tagung eingeladen. Das Ziel war es, mehr darüber zu erfahren, wie Erbbaurechte aktuell bewertet werden und welche Hebel es möglicherweise gibt, um darauf einzuwirken.

Denn die Erfahrung zeigt: In der Praxis stellt die Finanzierung von Erbbaurechten häufig ein Problem dar. Einige Kreditinstitute lehnen diese sogar ganz ab. Die Perspektive der Bewerter- und Bankenseite stellten Benedikt Altrogge von der GLS Bank, Oliver Hahmann von der Sparkasse Hannover, Thomas Schneider von der Hamburg Commercial Bank und Dr. Martin Töllner von Töllner & Flüge vor. Die zentralen Erkenntnisse lauteten:

In der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) kommen Erbbaurechte nicht vor. Bei der Bewertung wird – wenn möglich – auf Vergleichswerte aus der Region zurückgegriffen. Daneben kommen das finanzmathematische Verfahren und das sogenannte Münchener Verfahren zum Einsatz, wobei letzteres gängiger ist. Beim finanzmathematischen Verfahren werden der Bodenwert-Anteil und der Gebäudewert gesondert ermittelt und dann zusammengeführt. Beim Münchener Verfahren wird zunächst der Wert des Gebäudes und des Grundstücks im Volleigentum ermittelt. Anschließend erfolgen verschiedene Abschläge:

1. Für den Wegfall des Bodennutzungsrechts

Dieser Abschlag wird abhängig von der restlichen Laufzeit des Erbbaurechts berechnet. Die Unsicherheit für die finanzierende Bank nimmt zu, je kürzer diese ist. Insofern werden Erbbaurechte mit kurzen Laufzeiten schlechter bewertet. Langlaufende Erbbaurechte hingegen werden zum Teil genauso eingestuft wie Immobilien im Volleigentum. Grundsätzlich fordern die Banken: Das Erbbaurecht muss mindestens 10 Jahre länger laufen als die Finanzierung.

2. Für den Wegfall des Gebäudes nach Zeitablauf

Hierfür ist die vereinbarte Entschädigung ausschlaggebend.

3. Für „weitere Nachteile“ aus dem Erbbaurecht

In diesem Zusammenhang betrachten die Bewerter zum Beispiel Wertsicherungsklauseln, Zustimmungsvorbehalte und Vorkaufsrechte. In den Banken werden hierfür häufig Pauschalen zugrunde gelegt, die sich zwischen 3 und 10 Prozent des Gesamtwertes bewegen.

4. Für den kapitalisierten Erbbauzins

Dieser Abschlag ergibt sich aus der Differenz zwischen dem vertraglichen Erbbauzins und dem angemessenen Erbbauzins, kapitalisiert über die Restlaufzeit. Allerdings ist die Berechnung insofern problematisch, als der angemessene Erbbauzins meist schwer zu bestimmen ist. Während der Niedrigzinsphase wäre nach Ansicht der Bewerter ein Erbbauzins von 2 und 5 Prozent des aktuellen Bodenrichtwertes angemessen. Bei Renditeobjekten ist eine Spanne von 5 bis 10 Prozent der erwarteten Mieteinnahmen gängig.

Aufgrund dieser vermuteten Unsicherheiten werden von den Gutachtern in aller Regel pauschal 10 bis 15 Prozent Abschlag für das Erbbaurecht – im Gegensatz zum Volleigentum – vorgenommen. Insgesamt unterliegen die Entscheider in den Banken strengen Vorgaben ihrer Verbände und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Insofern bewegen sie sich selbst in einem engen Korsett.

Wenn Privatpersonen einen Kredit für eine Erbbaurechtsimmobilie aufnehmen, sind außerdem die Vorgaben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu beachten. In diesem Bereich liegt der Fokus stärker auf der Person des Kreditnehmers und seiner Bonität. Nichtdestotrotz beziehen die Banken auch hier die Konditionen des jeweiligen Erbbaurechts ein. Im gewerblichen Bereich – zum Beispiel bei Genossenschaften – als Kreditnehmer spielt die Immobilie eine größere Rolle.

„Hausaufgaben“ für die Erbbaurechtsausgeber

Für die Erbbaurechtsausgeber bedeutet das: Je mehr Handlungsspielraum sie den Erbbaurechtsnehmern einräumen und je länger die Laufzeiten sind, desto besser wird die Bewertung ausfallen. Je weniger Unsicherheiten – aus Sicht der Erbbaurechtsnehmer – bestehen, desto positiver wird die Einschätzung der Banken sein. Günstig wirken sich zum Beispiel lange Laufzeiten, klare Regelungen für das Ende der Laufzeit, wenig Zustimmungsvorbehalte, eine hohe Entschädigung und ein marktgerechter Erbbauzins aus.

Dialog mit den Bankenverbänden

Auf der anderen Seite wird der Deutsche Erbbaurechtsverband das Gespräch mit den Bankenverbänden suchen, um insbesondere die Praxis der pauschalen Abschläge bei der Bewertung von Erbbaurechten zu diskutieren. Hierbei wird es auch darauf ankommen, die Vorteile des Erbbaurechts zu betonen: die Schonung des Eigenkapitals ebenso wie die Renditemöglichkeiten, die das Instrument durchaus bietet. Außerdem wird der Erbbaurechtsverband prüfen, ob Belege dafür existieren, dass Erbbaurechte für die Banken mit einem größeren Risiko behaftet sind als Kredite für Immobilien im Volleigentum.

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