Das Erbbaurecht: ein Baustein zum bezahlbaren Wohnen

Einerseits die Grundstücke behalten, andererseits den Wohnungsbau vorantreiben: Viele Städte in Deutschland setzen auf das Erbbaurecht, um diese Ziele miteinander zu vereinbaren. Inwieweit es bezahlbares Wohnen ermöglichen kann, weiß der Deutsche Erbbaurechtsverband.

Die Stadt Berlin senkte schon 2021 den Erbbauzins für den Geschosswohnungsbau auf 1,8 Prozent des Bodenwertes. In Lübeck liegt er bei 2 Prozent, kann aber auf 1,7 Prozent sinken, wenn auf dem Grundstück mehr als 50 Prozent geförderter Wohnraum entstehen. In Köln gilt für die ersten 60 Jahre der auf 80 Jahre angelegten Erbbaurechte ein besonders günstiger Erbbauzinssatz von jährlich 1,5 Prozent des Grundstückswertes. Hierfür muss sich der Erbbaurechtsnehmer verpflichten, mindestens 30 Prozent geförderten und 20 Prozent preisgedämpften Wohnungsbau zu realisieren. Stuttgart hat den Erbbauzins für Wohnerbbaurechte auf 2 Prozent des Bodenwertes gesenkt, Hamburg sogar auf 1,3 Prozent.

Überall in Deutschland arbeiten Städte und Gemeinden daran, Erbbaurechte so zu gestalten, dass bezahlbarer Wohnungsbau auf den Grundstücken möglich ist. Die Motivation dahinter: Einerseits wollen sie die Grundstücke in ihrem Eigentum behalten. Andererseits soll aber der Wohnungsbau auf diesen Grundstücken attraktiv bleiben.

Bewertung durch die Banken

In der Wohnungswirtschaft trifft diese Bodenpolitik auf Widerstand. Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) führt beispielsweise die erhöhte Komplexität bei der Finanzierung von Bauvorhaben an. „Banken müssen bei der Beleihung von Erbbaurechten selbstverständlich die laufenden Erbbauzinsen als sogenannte Vorlast berücksichtigen und den Beleihungswert entsprechend anpassen“, sagt Michael Jung, Vorstandsmitglied des Deutschen Erbbaurechtsverbands. „Mittlerweile erkennen sie aber auch die Vorzüge – beispielsweise in Form von höheren Zinsdeckungsquoten und niedrigeren Beleihungsausläufen in absoluten Zahlen und sind in den letzten Jahren auch deutlich vertrauter im Umgang mit solchen Strukturen geworden. Wir erwarten daher einen positiven Verstärkungseffekt aus besserem Verständnis und größerer Nachfrage nach Erbbaurechten.“

Gerade für Personen und Organisationen mit wenig Liquidität kann das Erbbaurecht eine gute Alternative zum Volleigentum sein. Denn der Eigenkapitalbedarf reduziert sich erheblich, wenn der Kaufpreis für das Grundstück wegfällt. „Viele kleine Genossenschaften und Baugemeinschaften haben auf diese Weise schon Projekte realisiert, die im Volleigentum gar nicht möglich gewesen wären“, weiß Matthias Nagel. Er ist Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Deutschen Erbbaurechtsverbands. Organisationen wie zum Beispiel die Stiftung trias und die Stiftung Edith Maryon basieren auf dieser Idee. Sie kaufen Grundstücke und stellen sie im Erbbaurecht unter anderem für gemeinschaftliche Wohnprojekte zur Verfügung. Aber auch viele etablierte Bestandshalter haben Häuser auf Erbbaurechtsgrundstücken.

Stabilisierung der Grundstückspreise, längere Mietpreisbindungen

Über Mietpreisbindungen kann sich das Erbbaurecht ganz unmittelbar auf die Wohnkosten auswirken. In Hamburg zum Beispiel gilt für öffentlich geförderte Wohnungen im Volleigentum eine Mietpreisbindung von 30 Jahren. Zukünftig soll es für eine bestimmte Anzahl von Wohnungen sogar eine 100-jährige Mietpreisbindung geben. Möglich wird das durch das Erbbaurecht. Denn „dauerhafte Beschränkungen lassen sich nur dann erreichen, wenn der öffentliche Zweck nicht mit dem Instrument des Grundstücksverkaufs, sondern mit dem dazu bestimmten Instrument der Ausgabe des Erbbaurechts verfolgt wird“. So urteilte der Bundesgerichtshof im Jahr 2019 (2019 – V ZR 176/17). Kommunen können also den Erbbauzins für ein Grundstück an die Höhe der Mieten koppeln, die darauf erzielt werden – bis hin zu kostenlosen Erbbaurechten.

Langfristig hat die Vergabe von Erbbaurechten auch einen Effekt auf die Grundstückspreise. „Wir wissen, dass die Grundstückspreise in Kommunen mit vielen Erbbaurechten weniger stark steigen. Das dämpft die Bau- und damit die Wohnkosten an diesen Standorten“, erklärt Dr. Matthias Nagel.

Ein Baustein, aber kein Allheilmittel

„Das Erbbaurecht kann ein Baustein zum bezahlbaren Wohnen sein – aber es ist kein Allheilmittel“, resümiert Matthias Nagel. „Einerseits müssen die Erbbaurechtsverträge entsprechend formuliert sein. Wir raten zu partnerschaftlichen Konditionen, die die Interessen beider Parteien berücksichtigen. Andererseits ist das Erbbaurecht immer im Kontext mit anderen Maßnahmen der Stadtentwicklung zu bewerten. Mietpreisbindungen begrenzen nur die Einnahmen, aber nicht die Kosten. Hier braucht es Anreize für die Investoren, damit überhaupt Wohnungen entstehen.“

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