Patrick Bernd Findeis: „Die Grundsteuerreform 2022 spielt auch im Erbbaurecht eine Rolle“

BerndFindeis

Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte festgestellt hatte, müssen die Grundstückwerte neu festgestellt werden. Ab dem Jahr 2025 sollen neue Grundsteuerbescheide ergehen. Aktuell werden Grundstückseigentümer zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung der Grundsteuerwerte aufgefordert. Welche Rolle die Reform im Erbbaurecht spielt und welche Herausforderungen auf Erbbaurechtsgeber und -nehmer zukommen, erklärt Patrick Bernd Findeis, Tax Partner bei BDO Deutschland.

ErbbauZ: Herr Findeis, die Grundsteuerreform ist im vollen Gange – welcher Grundbesitz ist davon betroffen?

Findeis: Die Grundsteuer wird zum einen auf das Grundvermögen – also bebaute und unbebaute Grundstücke – sowie auf Betriebe der Land- und Forstwirtschaft erhoben. Für beide Vermögensgruppen traten am 1.1.2022 umfangreiche Neuregelungen in Kraft.

ErbbauZ: Was muss von den Betroffenen erklärt werden?

Findeis: Erklärt werden muss immer die Größe des Grundstücks sowie die Nutzung des Grundstücks und ggf. aufstehender Gebäude. Im Detail unterscheidet sich dann, in welchem Bundesland die wirtschaftliche Einheit, das ist der steuerliche Begriff für den Bewertungsgegenstand, liegt. In Baden-Württemberg muss lediglich die Grundstücksgröße und der Prozentsatz der Wohnnutzung angegeben werden. In Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen kommen noch die Wohnflächen und Nutzflächen hinzu. In allen anderen Bundesländern muss die Bebauung und deren Nutzung detailliert ermittelt werden.

ErbbauZ: Welche Fristen gelten?

Findeis: Die Grundsteuerwerterklärungen sind bis zum 31.10.2022 beim zuständigen Finanzamt einzureichen. Frühester Termin für die Abgabe der Grundsteuerwerterklärungen ist der 1.7.2022. Das zuständige Finanzamt und das Aktenzeichen bzw. Einheitswertzeichen findet sich auf dem (alten) Einheitswertbescheid der wirtschaftlichen Einheit.

ErbbauZ: Und das meldet man einfach dem Finanzamt? Digital oder analog?

Findeis: „Die Steuererklärungen müssen grundsätzlich digital über ELSTER eingereicht werden. Einige Bundesländer, zum Beispiel Bayern, lassen eine Erklärung auf Papier ohne weiteres zu, während beispielsweise Hessen darauf besteht, dass ein Antrag auf papierhafte Einreichung zu stellen ist.

ErbbauZ: Fordern die Finanzämter die Betroffenen zur Abgabe von Steuererklärungen auf?

Findeis: Die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen wurde von den Bundesländern über eine sogenannte Allgemeinverfügung erlassen. Da die Finanzverwaltung Ländersache ist und die einzelnen Bundesländer in der Digitalisierung von Grundbuch, Kataster und Einheitswertdaten unterschiedlich weit sind, wird es in einigen Bundesländern individuelle Ansprachen geben, in anderen nicht. Unabhängig von der Lage im jeweiligen Bundesland ist die Pflicht zur Abgabe aufgrund der Allgemeinverfügung zwingend und bis 31.10.2022 zu erfüllen.

ErbbauZ: Welche Besonderheiten gibt es im Erbbaurecht?

Findeis: Im alten Einheitswertrecht wurden zwei Feststellungen getroffen: eine für die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts und eine für die wirtschaftliche Einheit des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks. Ersteres wurde dem Erbbauberechtigen zugerechnet, letzteres dem Eigentümer des Grund und Bodens. Hatte diese Aufteilung bis 1996 noch Bedeutung für die Vermögensteuer, sah die Grundsteuer schon immer vor, dass der Erbbauberechtigte auf die Summe beider Grundsteuermesszahlen die Grundsteuer zu entrichten hatte (§§ 10 II, 13 III GrStG aF).

Wegen des Wegfalls der Vermögensteuer im Jahr 1996 fiel auch der letzte Grund weg, die Bewertung eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks in zwei wirtschaftliche Einheiten aufzuteilen. Folgerichtig sehen die neuen Regelungen vor, dass nur noch eine wirtschaftliche Einheit besteht und diese in vollem Umfang dem Erbbauberechtigten zugeordnet wird. Entsprechend treffen den Erbbauberechtigten auch die Erklärungspflichten. Der Erbbauverpflichtete muss notwendige Auskünfte erteilen.

ErbbauZ: Sehen Sie besondere Schwierigkeiten, wenn es um die Mitwirkung der Eigentümer des Grundstücks geht?

Findeis: Seitens des Erbbauverpflichteten sind die notwendigen Angaben zum Grundstück dem Erbbauberechtigten zur Verfügung zu stellen. Das trifft meiner Meinung nach lediglich die Grundstücksgröße bzw. bei Wohnungserbbaurecht die Quote der Grundstücksgröße, die dem Wohnungserbbaurecht zuzurechnen ist. Da Erbbauverträge auf 50 bis 99 Jahre abgeschlossen werden, gehe ich davon aus, dass die Vertragsverhältnisse in aller Regel geordnet und ungestört sind, sodass einer sachgerechten Kommunikation zwischen den beiden Parteien nichts im Wege steht.

ErbbauZ: Wie wird die Grundsteuer beim Erbbaurecht berechnet?

Findeis: Da nur noch ein Grundsteuerwert festgestellt wird, sind hier – eine große Ausnahme im deutschen Steuerrecht – keine Ausnahmen zu beachten. Bei Erbbaurechten ist für das Erbbaurecht und das Erbbaurechtsgrundstück ein Gesamtwert zu ermitteln, der festzustellen wäre, wenn die Belastung mit dem Erbbaurecht nicht bestünde. Der ermittelte Wert ist dem Erbbauberechtigten zuzurechnen.

Erwähnenswert ist die Situation, wenn ein Grundstück im Eigentum an ein Grundstück grenzt, auf dem zugunsten des Eigentümers ein Erbbaurecht bestellt ist. Errichtet der Erbbauberechtigte ein Gebäude auf einem erbbaurechtsbelasteten und einem ihm gehörenden angrenzenden Grundstück, ist das Gebäude gemeinsam mit dem gesamten Grund und Boden als eine wirtschaftliche Einheit zu bewerten.

ErbbauZ: Vielen Dank für das Interview, lieber Herr Findeis!

Patrick Findeis ist seit über 27 Jahren im deutschen Steuerrecht aktiv. Seine Karriere führte ihn von der Finanzverwaltung über eine Landesbank zu PwC und von dort über Dubai zurück nach Deutschland zur BDO AG. Dort verantwortet er den Bereich Tax Technology. Seine Tätigkeiten umfassten dabei abwechselnd die Anwendungsentwicklung und die steuerliche Beratung.

Seine Arbeit umfasst die Beratung der Mandanten bei der Optimierung von IT gestützten Prozessen bis zur Entwicklung von IT-Produkten zur Digitalisierung und Automatisierung von Abläufen der betrieblichen Steuerfunktion. Darüber hinaus begleitet er die Weiterentwicklung digitaler Kooperationsplattformen sowie die Optimierung der digitalen Schnittstellen zwischen Inhouse-Steuerfunktion, Steuerberater und Finanzverwaltung.

Herr Findeis vereint in seiner Person die Doppelqualifikation von Steuerberater und Programmierer und beherrscht damit sowohl die Fachsprache der Steuerfunktion als auch der IT.

Zu seinen fachlichen Schwerpunktthemen gehören das Verfahrensrecht, die Grundsteuer sowie die Besteuerung von Kapitalvermögen; seine technischen Schwerpunkte liegen beim Design von Datenverarbeitungsprozessen und Datenvisualisierungen.

Aktuelle Webinare

Das letzte Webinar zur Grundsteuer ist unter https://securedata.bdo.de/s/tKHtEFIGJNKDYWF abrufbar. Informationen und den Einladungslink zum Sonder-Webseminar: „Grundsteuerreform 2022 – Was Kammern zu beachten haben!“ sowie zum Sonder-Webseminar: „Grundsteuerreform 2022 – Was kirchliche Institutionen zu beachten haben!“ erhalten Sie über events(at)bdo.de

Erschienen in: ErbbauZ 2022/3

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