Ingo Strugalla: „Wir sind nicht reaktiv, sondern bespielen die Themen der Zukunft“

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Seit 15. Juni 2022 hat der Deutsche Erbbaurechtsverband einen neuen Präsidenten: Ingo Strugalla, der seit der Gründung des Verbands 2013 dessen Vizepräsident gewesen war. Der ehemalige Präsident, Hans-Christian Biallas, war im Februar 2022 überraschend verstorben. Ingo Strugalla ist Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Schönau, die mehr als 13.000 Erbbaurechte rund um Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe und Freiburg vergibt.

ErbbauZ: Herr Strugalla, Sie sind eines der ersten Mitglieder, das sich vor fast zehn Jahren dem Deutschen Erbbaurechtsverband anschloss. Was hat Sie damals dazu veranlasst?

Strugalla: Als Stiftung mit historischen Wurzeln und umfangreichem Grundbesitz hat die Stiftung Schönau insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg das Erbbaurecht als Geschäftsmodell für sich entdeckt. Heute sind die Erbbaurechtsverträge unsere dominante Erlösquelle. Eine Interessenvertretung mitzugründen, war 2013 deshalb eine logische Konsequenz.

Abgesehen davon wollten wir mit der Gründung des Verbandes das Erbbaurecht aus dem Dornröschenschlaf wachküssen. Aus Sicht des Verbandes ist das Erbbaurecht immer noch ein unterschätztes Instrument der Wohnungspolitik, auch wenn erkennbar ist, dass dieses Instrument mehr und mehr verstanden und eingesetzt wird.

ErbbauZ: Wie tief steckt das Erbbaurecht denn heute noch im Dornröschenschlaf? Ist es hier und da nicht schon erwacht?

Strugalla: Das Erbbaurecht befindet sich vielleicht nicht mehr im Tiefschlaf, aber es ist noch nicht wach genug. Als Multiplikator und Gestalter wollen wir über das Erbbaurecht informieren und in die öffentliche Diskussion bringen. In der Tat konnten wir in den letzten Jahren in vielen Kommunen ein Umdenken erkennen. Hier wird nicht nur aktiv über den Einsatz des Erbbaurechts in der Wohnungspolitik diskutiert, sondern es wird dann auch eingesetzt. Beispielhaft seien hier Hamburg, Leipzig oder auch Stuttgart oder Lübeck genannt. Zudem findet sich das Erbbaurecht auch in aktuellen Koalitionsverträgen auf Landesebene als Instrument wieder, zuletzt in Schleswig-Holstein.

ErbbauZ: Was waren bislang aus Ihrer Sicht die größten Erfolge der Verbandsarbeit?

Strugalla: Da fallen mir gleich mehrere Punkte ein. Allen voran freut es mich, dass wir das Instrument des Erbbaurechts gegenüber den Medien und einer breiten Öffentlichkeit wieder verstärkt ins Bewusstsein rufen konnten. Das zeigt sich zum einen in einer steigenden Anzahl von Anfragen aus Politik und Immobilienwirtschaft und zum anderen am zunehmenden Interesse von Kommunen. Seit seiner Gründung ist unser Verband kontinuierlich gewachsen. Den Erbbaurechtskongress konnten wir als DAS zentrale Treffen zum Thema etablieren, inhaltlich flankiert von der Zeitschrift für Erbbaurecht (ErbbauZ), die wir gemeinsam mit dem Verlag C.H. Beck publizieren.

ErbbauZ: Und die größten Versäumnisse?

Strugalla: Dass der Verband nicht bereits vor 99 Jahre gegründet wurde.

ErbbauZ: Welche Schwerpunkte möchten Sie als Präsident setzen? Worauf wollen Sie ein besonderes Augenmerk legen?

Strugalla: Ich möchte gerne an die erfolgreiche Arbeit der Vergangenheit anknüpfen und den Verband weiter ausbauen und stärken. Im Wesentlichen umfasst dies drei Themenbereiche:

Inhaltlich ist es mir ein Anliegen, das Standing des Erbbaurechts weiter zu verbessern, indem wir alle Themen rund um das Erbbaurecht bespielen und kommunikativ begleiten. Damit meine ich beispielsweise Aufklärungsarbeit im Vorfeld der Bestellung eines Erbbaurechts. Wir erleben immer wieder, dass insbesondere Banken bei den für sie ungewohnten Fragestellungen Vorbehalte haben. Hier möchten wir verstärkt Aufklärungsarbeit leisten und Hilfestellung bieten. Ein weiterer Schwerpunkt ist, die zukünftigen Herausforderungen rund um das Thema Erbbaurecht zu identifizieren und unsere Mitglieder, beispielsweise beim Umgang mit auslaufenden Erbbaurechten zu unterstützen. Als dritten Schwerpunkt und flankierende Maßnahme sehe ich den Ausbau unserer Fachveranstaltungen, online und in Präsenz.

ErbbauZ: Wie soll diese Unterstützung der Mitglieder denn konkret aussehen?

Strugalla: Wir wollen unsere Mitglieder bei der Umsetzung des Erbbaurechts in ihren Bereichen unterstützen und beraten. Vor allem, wenn sie vielleicht nach einer längeren Zeit das Erbbaurecht wieder neu für sich entdeckt haben. Das kann die Beratung einer Arbeitsgruppe oder auch von politischen Gremien beinhalten. Dabei geht es zusätzlich um einen Wissenstransfer unter den Mitgliedern untereinander sowie um die Vernetzung mit anderen Erbbaurechtsausgebern sowie weiteren Expertinnen und Experten.

ErbbauZ: Die Welt des Erbbaurechts ist in den vergangenen zehn Jahren ja etwas mehr ins Licht der Öffentlichkeit gerückt und wurde – wie andere Rechtsgebiete auch – digitaler und komplexer. Wie wird der Verband künftig darauf reagieren?

Strugalla: Genau zu dieser Entwicklung hat der Verband ja bereits einen wesentlichen Beitrag geleistet. Es geht also nicht darum, reaktiv zu sein, sondern die Themen der Zukunft zu bespielen. Dabei hat sich das Erbbaurecht in seiner Grundtektonik nicht signifikant verändert. Die Digitalisierung bezieht sich dabei eher auf Schulungsformate und partiell digitalisierte Grundbuchämter.

ErbbauZ: Also Aktion statt Reaktion? Haben Sie hierzu ein Beispiel?

Strugalla: Wir bieten allein in diesem Jahr 16 Online-Webinare zu verschiedenen Themen rund um das Erbbaurecht an. Zudem können sich Mitglieder vernetzen und ihre Erfahrungen austauschen, beispielsweise mit der digitalen Verwaltung ihrer Erbbaurechte. So haben unsere Mitglieder die Chance, voneinander zu lernen und sich besser aufzustellen. Die Digitalisierung schreitet voran. Es ist wichtig, sich als Erbbaurechtsausgeber professionell aufzustellen. Gerade zu diesem Thema gibt es ein größeres Informationsbedürfnis bei den Mitgliedern unseres Verbandes.

ErbbauZ: Wie lassen sich diese Ziele und Vorhaben des Deutschen Erbbaurechtsverbands mit Ehrenämtlern, die alle samt in anspruchsvollen Positionen sitzen, in die Tat umsetzen?

Strugalla: Wir haben alle das gleiche Ziel und beschäftigen uns im Hauptberuf ebenfalls mit diesen Fragestellungen. Insofern fügt sich dieses Ehrenamt organisch in den eigenen Verantwortungsbereich ein. Jedes Werben auf Verbandsebene für das Erbbaurecht wird sich sicherlich nicht 1 zu 1 in der eigenen Bilanz und GuV wiederfinden. Wenn es uns im Vorstand aber gelingt, einen Beitrag zu einer positiveren Wahrnehmung des Erbbaurechts zu leisten, ist das ein echter Erfolg. Wir haben ja ganz bewusst den Vorstand erweitert, um auch den Kommunen und der Wirtschaft eine Stimme zu geben.

ErbbauZ: Wenn Sie in Ihrer neuen Position einen Wunsch frei hätten – welcher wäre das?

Strugalla: Mein Wunsch wäre, dass noch mehr Kommunen, bzw. die öffentliche Hand das Potential des Erbbaurechts als Instrument gegen Immobilienspekulation erkennen und es proaktiv zur Gestaltung ihrer Immobilienmärkte einsetzen.

ErbbauZ: Vielen Dank, lieber Herr Strugalla, für das Interview!

Ingo Strugalla (geb. 13.8.1965 in Hannover) studierte Wirtschaftswissenschaften und absolvierte studienbegleitend den Fernunterricht zum Kaufmann der Wohnungswirtschaft. Nach verschiedenen Stationen in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft als Prokurist und Geschäftsführer baute er ab 2001 für die Deutsche Wohnen AG das Portfoliomanagement auf. Ein Schwerpunkt lag in der erstmaligen Ermittlung des Net Asset Value über eine Teil- und Massenbewertung der Wohnungsbestände.

Unter der Dachmarke Stiftung Schönau führt Strugalla als Geschäftsführender Vorstand die Evangelische Stiftung Pflege Schönau und die Evangelische Pfarrpfründestiftung Baden. Zudem ist er Geschäftsführer der Prokiba GmbH (Gesellschaft für Projektentwicklung und Projektsteuerung für kirchliches Bauen in Baden mbH).

Erschienen in: ErbbauZ 2022/4

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