Der Deutsche Erbbaurechtsverband e. V. hat auf seiner Mitgliederversammlung am 13.6.2022 einen neuen Vorstand gewählt. Neu dabei ist unter anderem Michael Jung, geschäftsführender Gesellschafter der Continuum Capital Investment Management GmbH. Damit ist erstmals die freie Wirtschaft im Verbandsvorstand vertreten.
ErbbauZ: Herr Jung, Sie sind schon länger Mitglied im Deutschen Erbbaurechtsverband – und nun engagieren Sie sich sogar im Vorstand. Warum ist jetzt für Sie der richtige Zeitpunkt, Vorstand zu werden?
Jung: Ich beschäftige mich nunmehr seit bald 18 Jahren mit dem Thema ‚Erbbaurechte in Deutschland‘ und wollte ganz bewusst die spezifischen Erfahrungen und Sichtweisen aus der Perspektive eines privatwirtschaftlichen Immobilienunternehmers in den Deutschen Erbbaurechtsverband einbringen, der bis dato ja vornehmlich klerikal und kommunal geprägt war.
ErbbauZ: Wo liegen Ihre beruflichen Anknüpfungspunkte zum Erbbaurecht?
Jung: Als ich das erste Mal beruflich mit dem Thema ‚Erbbaurecht‘ in Berührung kam, war ich sofort völlig fasziniert von der einzigartigen Bündelung der spezifischen Charakteristiken von Erbbauzinsansprüchen in Form von Inflationssicherung, erstrangiger grundbuchlicher Besicherung und 100-jähriger Laufzeit, die uns damals erlaubten, die ersten drei Verbriefungen von Erbbauzinsen sehr erfolgreich am Kapitalmarkt zu platzieren. Auf Basis dieser Erfahrungen habe ich dann im Jahr 2009 Continuum Capital gegründet, um auf dem deutschen Markt einen auf Erbbaugrundstücke spezialisierten Investment Manager zu etablieren. Wir haben mittlerweile einige Versorgungswerke, Pensionskassen und Versicherungen an die neue Assetklasse ‚Erbbaugrundstücke‘ herangeführt, die allesamt sehr angetan von dem Gedanken sind, jetzt ebenfalls in diese langlaufenden Vermögenswerte investieren zu können, wie es ihnen beispielsweise die Kirchen ja schon sehr lange vorgemacht haben.
ErbbauZ: Das klingt richtig spannend! Denken Sie dass das Erbbaurecht in der freien Wirtschaft bald eine größere Rolle spielen wird?
Jung: Während Erbbaurechte unter anderem im angelsächsischen Raum schon recht häufig zur bewussten Allokation von Risiko und Rendite zwischen Grundstücks- und Gebäudeeigentümern eingesetzt werden, haben wir in Deutschland hier jetzt einige Jahre Pionierarbeit geleistet. Mittlerweile erkennen aber auch hierzulande sowohl Banken als auch Immobilieninvestoren die Vorzüge von modernen Erbbaurechtsstrukturen – beispielsweise in Form von höheren Renditen und besseren Zinsdeckungsquoten und sind deutlich vertrauter im Umgang mit solchen Strukturen. Wir erwarten daher einen positiven Verstärkungseffekt aus besserem Verständnis und größerer Nachfrage solcher Erbbaurechtsmodelle.
ErbbauZ: Wie lassen sich noch stärkere Anreize für die Anwendung des Instruments Erbbaurecht in der freien Wirtschaft setzen?
Jung: Unsere Erbbaurechtsverträge zeichnen sich durch einen bewussten Interessenausgleich zwischen Grundstückseigentümer, Gebäudeeigentümer und finanzierender Bank aus. Dies schlägt sich darin nieder, dass wir beispielsweise faire und klare Verlängerungsoptionen anbieten, simple Indexierungsmechanismen wählen und dem Betreiber des Gebäudes bei der Bewirtschaftung vertraglich einen maximalen Freiheitsgrad einräumen, so dass er sich durch das Erbbaurecht weder in der Nutzung, in der Finanzierung, noch im Verkauf eingeschränkt fühlt. Sobald der Erbbauberechtigte dann nur noch die Vorteile eines Erbbaurechts – in Form niedrigerer Kaufpreise und höherer Renditen – erleben kann, aber keine strukturellen Nachteile mehr befürchten muss, wird das Interesse in der Regel deutlich ausgeprägter.
ErbbauZ: Welche Impulse möchten Sie jetzt in den Verband einbringen? Worauf wollen Sie ein besonderes Augenmerk legen?
Jung: Es gibt beispielsweise einige Aspekte im Bereich der Finanzierung und Bewertung, bei denen der Deutsche Erbbaurechtsverband zu einer Modernisierung des gesetzlichen oder regulatorischen Rahmenwerks beitragen kann. Es ist zum Beispiel nicht nachvollziehbar, dass gerade die so hoch besicherten Erbbaugrundstücke in Deutschland nur schlecht finanziert werden können, da das Erbbaurecht selbst als Belastung missverstanden wird. Man wundert sich auch darüber, dass nach den aufsichtsrechtlichen Bewertungsvorschriften der BaFin verpflichtend Mindestabschläge für Erbbaurechte vorzunehmen sind – sogar, wenn die zugrundeliegenden Verträge absolut mustergültig gestaltet wurden. Selbst die Bestellung von neuen Erbbaugrundstücken kann potenziell an wertmäßig völlig unbedeutenden Dienstbarkeiten scheitern. Eine Reform dieser aus der Zeit gefallenen Missstände sollte unser Verband daher mitinitiieren. Wer weiß, vielleicht schaffen wir es ja sogar, das alte Schreckgespenst des ‚Heimfalls‘, vor dem alle potenzielle Erbbaurechtsnehmer völlig unnötig Angst haben, da es in der Praxis sowieso nie zur Anwendung kommt, endlich zu beerdigen?
ErbbauZ: Das wäre freilich wünschenswert. Was sehen Sie als Ihre größte Herausforderung während der Vorstandzeit und wie planen Sie, diese zu meistern?
Jung: Wir sind uns im Vorstand einig darüber, dass wir in den nächsten Jahren die Attraktivität und die Verbreitung von Erbbaurechten in Deutschland sowohl durch kommunikative Maßnahmen als auch durch Schritte zur Vereinfachung der regulatorischen Rahmenbedingungen und typischen Vertragsklauseln deutlich steigern wollen. Uns ermutigt, dass mittlerweile etliche Kommunen das Erbbaurecht als strategisches Instrument der langfristigen Stadtentwicklung wieder neu entdeckt haben und ganz bewusst zu zeitgemäßen Zinssätzen von ca. 1,5 % an den Markt bringen.
ErbbauZ: Und wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre für das Erbbaurecht insgesamt?
Jung: In diesen Zeiten mit extrem volatilen Zinsen und Inflationserwartungen müssen wir gemeinsam mit unseren Verbandsmitgliedern konstruktive Wege finden, sowohl marktkonforme Zinssätze bei der Neubestellung von Erbbaurechten zu vereinbaren, die anders als früher nicht über Dekaden unangepasst bei ca. 4,0 % bleiben, und Formen der Inflationsanpassung – gerade für auslaufende Erbbaurechtsverträge – finden, die die Wertentwicklung der Bodenpreise und die Chancen der Vertragsverlängerung für den Gebäudeeigentümer in Einklang bringen.
ErbbauZ: Vielen Dank, lieber Herr Jung, für das Interview und die Einblicke in die freie Wirtschaft!
Michael Jung, ist Managing Partner und Mitbegründer von Continuum Capital im Jahr 2009 und seit dieser Zeit geschäftsführender Gesellschafter. Etablierung der Gesellschaft als führender Investment Manager für Anlagen in Erbbaugrundstücke in Deutschland. Zwischen 2004 und 2008 zunächst CFO und anschließend CEO der Vivacon AG, einer zu dieser Zeit im MDAX börsennotierten Immobiliengesellschaft. In dieser Position führte er gewerbliche Erbbaurechtsinvestitionen in den deutschen Immobilienmarkt ein. Zwischen 1996 und 2004 Direktor in den Investmentbanking-Abteilungen der Deutschen Bank und Rothschild mit Schwerpunkt auf M&A- und Equity Capital Markets Transaktionen. Abschluss als Diplom-Kaufmann an der Universität Mannheim.
Continuum Capital Investment Management GmbH
Seit der Gründung in 2009 fokussiert sich Continuum Capital als führender deutscher Investment Manager ausschließlich auf die Neustrukturierung und Refinanzierung von institutionellen Erbbauzinsansprüchen. Aus Ihrem Frankfurter Büro führen die beiden Managing Partner Bernd Knobloch und Michael Jung ein siebenköpfiges Team, das seine Expertise sowohl aus der Immobilien- als auch in der Finanzwirtschaft vereint
Continuum Capital vertritt in diesen Transaktionen konservative deutsche und internationale Kapitalsammelstellen, die in langfristige, inflationsgesicherte Immobilienopportunitäten investieren. In den vergangenen fünf Jahren hat Continuum Capital Erbbaurechte für Immobilien mit einem Investitionsvolumen von > 750 Mio. Euro strukturiert.
Erschienen in: ErbbauZ 2022/5