Klaus Hubmann: „Wer ein Areal kommerziell entwickeln will, muss das Gemeinwohl stärker berücksichtigen“

Foto Hubmann

Klaus Hubmann stellt die Tätigkeit seiner Stiftung, einer gemeinnützigen Wohnungsbauträgerin in Basel, und die von ihm angestoßenen beiden Baseler Bodeninitiativen vor.

Herr Hubmann, die von Ihnen geführte Stiftung Habitat (s. Kasten) führt im Namen den Programmsatz: „Für eine wohnliche Stadt und bezahlbare Mieten“. Ist Basel schon eine wohnliche Stadt mit bezahlbaren Mieten?

Dank der schönen Lage am Rhein, mit Öffnung zu Frankreich und Deutschland, mit guter Wirtschaftssituation und einer langen humanistischen Tradition bietet Basel ein hohes Maß an Lebensqualität, nicht zuletzt mit einem international bekannten großen Angebot an Kultur. Auch für die Arbeitstätigen sind die Rahmenbedingungen in der Stadt und die Verkehrsanbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut. Und für wohlhabende sowie wirklich gutverdienende Menschen ist die Stadt sehr wohnlich, da „bezahlbar“.

Jedoch für eine breite Mittelschicht wie auch für Menschen mit geringerem Einkommen oder sozial herausfordernden Konstellationen ist die Wohnsituation sehr angespannt: Mit einem Lehrwohnungsbestand unter 1,5 % sprechen wir von Wohnungsnot. Lange Jahre wurde in Basel viel in „Betongold“ investiert: Anlagefonds, Pensionskassen und Immobilien-Gesellschaften (oft auch an der Börse kotiert) haben Liegenschaften und Flächen erworben, und diese mit dem Ziel einer größtmöglichen Rendite entwickelt und weitervermietet. Diese Anlagegefäße verfügen über immense Mittel, und auch Großkonzerne, zum Beispiel Novartis und Roche, suchen im Stadtzentrum Flächen für Ihre Unternehmen.

Durch diesen Druck auf den Liegenschaftsmarkt wurde es für viele Private, kleinere Institutionen sowie auch gemeinnützige Wohnbauträger fast nicht mehr möglich, neuen günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Immerhin ziehen seit dem Ende der 1990er Jahre Verwaltungsabteilungen aus dem staatlichen Altbaubesitz in funktionalere Bauten am Stadtrand, um so die Innenstadt durch Wohnen zu beleben, sie für »gute« Steuerzahler attraktiv zu machen, aber auch, um Arbeitseinheiten besser zusammenzufassen. Aber es wurden, bis vor Annahme der Bodeninitiative, auch zentrale Bauten aus dem Besitz der Stadt verkauft.

Laut Selbstbeschreibung erwirbt, bebaut und bewirtschaftet Ihre Stiftung Häuser, entwickelt und bebaut Grundstücke oder gibt sie im Baurecht ab. Welche Rolle spielt in Ihrer Geschäftstätigkeit die letztgenannte Alternative, die Abgabe von Grundstücken im Baurecht (das etwa dem deutschen Erbbaurecht entspricht)?

In den Jahren 2010-2012 sind in Basel-Stadt mehrere Flächen von Eigentümern verkauft worden, die die Stadtplanung und -entwicklung in ihrem Umfeld stark prägen: Die Deutsche Bahn resp. deren Nachfolgeorganisationen haben das ehemalige Rangierareal auf Basler Boden verkauft. Von dieser Fläche haben wir rund ein Drittel der bebaubaren Fläche erwerben können, und als Erlenmatt Ost entwickelt. In den gleichen Zeitraum fällt der Rückzug des Detailhändlers Coop aus dem ehemaligen Verteilzentrum Lysbüchel an andere Standorte: Dort konnten wir einen Teil der Wohn- bau-Flächen erwerben und als Lysbüchel Süd selber konzeptionieren und prägen.

Diese beiden Areale haben wir mit einer detaillierteren Parzellenplanung (kleinteiliger als Großinvestoren dies bebauen würden) konzipiert. Und in Ausschreibungsverfahren gemeinnützige Wohnbauträger als Partner gesucht und mitgenommen. Diese haben die Chance erhalten, eigene Bausteine/Häuser zu planen, zu realisieren und später auch selber zu betreiben. Auf beiden Arealen haben auch wir (resp. sind in den nächsten Jahren noch dran) eigene Gebäude erstellt resp. umgebaut. Zentral sind aber die Durchmischung und die Teilhabe Dritter an den Flächen.

Diese Aufteilung führten wir durch, weil einerseits unsere Stiftung dieses Bauvolumen gar nicht hätte alleine realisieren können, zugleich bietet die breitere Träger- und Eigentümerschaft Gewähr für eine größere Stabilität.

Ich möchte doch noch anfügen, dass wir beide Areale wenige Jahre vor der massiven Preissteigerung erwerben konnten. Die Bodenpreise dieser Areale werden heute, ca. 10 Jahre später, um ein Mehrfaches höher eingeschätzt. In der ganzen Stadt sind heutzutage die (bei einem Verkauf geforderten, und gebotenen) Landpreise unrealistisch und faktisch untragbar hoch für bezahlbare Mieten.

Hierzulande wird in Kommunen seit einiger Zeit die Frage diskutiert, welche Rolle das Erbbaurecht im Rahmen komplexer Bauvorhaben spielen könnte, Stichworte etwa ökologisches Wohnen, Mikrohäuser, Mehrgenerationenhäuser. Wie sieht es damit in Basel aus?

Ziel unserer Stiftungsarbeit unter Einbeziehung der Unterstützung politischer Vorstöße wie die Basler Bodeninitiativen und Basel baut Zukunft ist eine stärkere gesetzliche Verankerung sozialer und ökologischer Kriterien bei der Stadtentwicklung. Dafür gibt es verschiedene Ansatzpunkte und Vehikel. Beispielsweise können Auflagen und Quoten für die Änderungen im kantonalen Bebauungsplan verpflichtend wirksam werden. Auch können Anreize für private Wohnbauträger bei Umzonierungen gesetzt werden, um Land im Baurecht abzugeben. Ein weiteres Beispiel im Bereich gesetzlicher Vorgaben sind steuerrechtliche Maßnahmen, wie eine Wohnsitzpflicht bei der Entwicklung des Geländes des alten Kinderspitals in Basel.

Als weiteres Mittel geben Baurechtsverträge die Möglichkeit, bestimmte Faktoren, die für eine nachhaltige Stadtentwicklung förderlich sind, zu berücksichtigen, und um bestimmte übergeordnete Nachhaltigkeitskonzepte durchzusetzen. In Erlenmatt Ost zum Beispiel ist, mit eher eng gefaßten Baurechtsverträgen, so verfahren worden. Den Bauaktivitäten im Areal Lysbüchel Süd liegt demgegenüber ein etwas großzügigerer sog. „Partnerschaftlicher Baurechtsvertrag Plus“ zugrunde. Solche mit genossenschaftlichen Wohnbauträgern vereinbarte Plus-Verträge sollen die Baurechtsnehmer zu bestimmten sozialen und ökologischen Aktivitäten ermutigen. Und was würden Sie vorschlagen, wenn eine Gemeinde ein besonderes Interesse hat, bestimmte Wohnformen zu etablieren, zB Mehrgenerationenhäuser?

Ich glaube, daß es wenig bringt, einen Wohntypus oder eine Wohnform exakt vorzuschreiben, das erweist sich langfristig als zu wenig flexibel. Besser scheint mir, bestimmte soziale oder ökologische Vorgaben allgemeiner zu formulieren.

In Deutschland fällt es bisweilen überhaupt schwer, die Kommunen davon zu überzeugen, daß das Erbbaurecht ein Instrument zur Förderung der Gemeinwohlorientierung sein kann. Wie gelingt Ihnen das in Basel?

Ich möchte hier vor allem die Basler Bodeninitiative (siehe Kasten) nennen, die in der Schweiz diesbezüglich viel angestoßen hat: In zahlreichen Gemeinden und Städten wurde der Umgang mit dem eigenen Boden thematisiert, und über Initiativen und politische Vorstöße geprägt. Dabei spielt die Vergabe von Baurecht eine große Rolle, und eröffnet viele Chancen. Über die öffentlichen Auseinandersetzungen bei politischen Vorstößen wird gerade die Stimmbevölkerung sensibilisiert und „mit ins Boot genommen“, und es werden aus der Bevölkerung heraus Anliegen direkt über Mitwirkung und die direktdemokratischen Möglichkeiten eingebracht. Eine rein kommerzielle Herangehensweise bei neuen Projekten wird so beinahe unmöglich.

Neben der Vergabe von Baurecht (anstatt dem Verkauf kantonseigener Flächen) haben wir hier in Basel-Stadt einen weiteren Weg gesetzlich vorbereitet mit der Initiative „Basel baut Zukunft“, die direkt in das Bau- und Raumplanungsgesetz wirkt: Wer ein Areal kommerziell entwickeln, ändern oder bebauen will, muss das Gemeinwohl stärker berücksichtigen: Mit energetisch zukunftsweisenden Vorgaben, und aufgrund der Verpflichtung, langfristig günstigen Wohnraum zu erstellen, da sonst die Planung und Konzeption nicht mehr akzeptiert wird. Auf diesen „Hebel“ bin ich als Mitinitiant der Initiative richtig stolz: Die Eigentümer werden in die Pflicht genommen nach dem Grundsatz „Eigentum verpflichtet“!

Man kann Ihnen nur wünschen, daß Sie mit diesen Initiativen die politische Stimmung in Basel auf längere Sicht beeinflussen. Aber wie würden Sie einer südbadischen Bürgermeisterin erklären, daß sie mit der Vergabe von Erbbaurechten einen gemeinwohlfördernden Beitrag leistet?

Genau darum geht es: Der Ertrag aus dem Boden, der gehört in die Gemeinschaft, und nicht an kommerzielle Investoren – dieser Ertrag darf nicht für immer privatisiert werden. Mit dem „Boden behalten“ kann die Bürgermeisterin langfristig ihren Handlungsspielraum, Stichwort „Stadt gestalten“, ihrem Nachfolger sichern – und die regelmäßigen Einnahmen aus dem Boden (über das Erbbaurecht) stehen der Gemeinde zur Verfügung. Diese langfristige Ertrags-Sicherung ist zentral für ein auf immer angelegtes „Gebilde“ wie eine Stadt.

Haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Hubmann!

KASTEN STIFTUNG HABITAT

Die Stiftung Habitat setzt sich seit 1996 als gemeinnützige Wohnbauträgerin in Basel für bezahlbares Wohnen in Basel ein. Sie erwirbt, baut und bewirtschaftet Häuser und entwickelt und bebaut Grundstücke oder gibt diese im Baurecht ab. Im Fokus stehen dabei insbesondere Mehrfamilienhäuser sowie Parzellen und Areale, die ein Potential für das Entwickeln und Bauen von Mehrfamilienhäusern aufweisen. Es werden auch Räume für gewerbliche, kulturelle und öffentliche Nutzungen entwickelt. Aktuell hat die Stiftung Habitat 19 Parzellen im – dem deutschen Erbbaurecht wie gesagt in etwa entsprechenden – Baurecht vergeben und ist selbst Baurechtsnehmerin am Sitz ihrer Geschäftsstelle und in drei weiteren Wohnhäusern. Mit zwei grösseren Arealentwicklungen (Erlenmatt Ost und Lysbüchel Süd) und der Weitergabe von Parzellen im Erbbaurecht hat die Stiftung in der Stadt Basel eine Vorreiterrolle übernommen.

Die Stiftung strebt einen möglichst hohen Anteil an erneuerbarer Energie, ökologische Standards und die Wieder- und Weiterverwendung von Baustoffen an. Sie arbeitet mit Institutionen zusammen, die sozial benachteiligte Personen unterstützen und berücksichtigt Personengruppen, die für viele Liegenschaftsverwaltungen nicht von Interesse sind. Sie schafft Mietwohnungen für spezielle Bedürfnisse, zum Beispiel für Alleinerziehende und professionelle Musiker. Finanziell schwächere Mieter können von der Stiftung mit Beiträgen zur Miete unterstützt werden.

KASTEN BASLER BODENINITIATIVEN

Mit den beiden Basler Bodeninitiativen engagierte sich die Stiftung Habitat zum ersten Mal politisch im engeren Sinne: Die erste Bodeninitiative «Boden behalten – Basel gestalten» wurde 2011 zusammen mit dem SVW Nordwestschweiz (Dachverband der Wohngenossenschaften) und der Stiftung Edith Maryon lanciert. Sie erreichte innert weniger Monate die notwendigen 3000 Unterschriften und wurde 2012 eingereicht.

Nach einer intensiven politischen Auseinandersetzung wurde 2016 eine modifizierte Fassung bei sehr hoher Beteiligung mit 67% vom Basler Stimmvolk angenommen. Somit ist gewährleistet, dass der kantonseigene Boden in Zukunft nicht mehr verkauft, sondern im Baurecht abgegeben wird.

Aktuell beteiligt sich die Stiftung Habitat an der im Herbst 2019 erfolgten Lancierung der kantonalen Volksinitiative «Basel baut Zukunft» (www.baselbautzukunft.ch). Sie verfolgt das Ziel, auf den grossen Industriearealen, die Basel in den nächsten Jahrzehnten in neue Wohn- und Arbeitsquartiere umwandelt, lebhafte und lebenswerte Quartiere entstehen zu lassen: mit viel Grün und wenig Verkehr. Auf Bahn-, Industrie- und Gewerbearealen, die in eine Zone mit Wohnanteil umgezont werden, sollen deshalb sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Lösungen partizipativ erarbeitet und mittels Bebauungsplänen festgesetzt werden.

Die Initiative möchte erreichen, dass mindestens 50% des Gesamtbestandes der nutzbaren Bruttogeschossfläche pro Bebauungsplan gemeinnützig, bzw. dauerhaft in Kostenmiete – also zu einem Mietzins, der zur vollständigen Deckung der Aufwendungen wie Unterhalt, Abschreibung, Finanzierungskosten erforderlich ist, aber keinen Gewinn aus der Vermietung erlaubt – vermietet wird. Die der Bebauung zugrundeliegenden Zonen- und Bebauungspläne müssen gemäss § 55 der Kantonsverfassung des Kantons Basel-Stadt unter Mitwirkung der Bevölkerung erarbeitet und die Ergebnisse angemessen berücksichtigt werden. Schliesslich müssen die Areale das Ziel der CO2-Neutralität erreichen.

Über die Initiative «Basel baut Zukunft» wurde lange und auf verschiedenen Ebenen verhandelt; es soll nun ein gesetzlicher Gegenvorschlag zur Abstimmung kommen, der die Anliegen der Initiative übernimmt, und die Umsetzung präzisiert. Nun sollen 33 % der umzuzonenden Fläche günstig in Kostenmiete fixiert werden, wenn grössere Areale entwickelt werden. Und auch bei kleineren Flächen kann das wohnpolitische Ziel, den Anteil gemeinnützigen Wohnraums zu erhöhen, mit Vorgaben von Mindestquoten umgesetzt werden. Der politische Gegenvorschlag ist soweit ausverhandelt zwischen den Parteien, den Investoren, den gemeinnützigen Wohnbauträgern sowie den Initianten, dass er realisierbar und politisch akzeptabel ist, und in den nächsten 2-3 Monaten umgesetzt werden sollte.Der Betriebsökonom Klaus Hubmann (Jahrgang 1972) arbeitete im Bereich Film und Medien und kümmerte sich für Genossenschaften um Vermietungs- und Finanzfragen. Seit 2004 ist Hubmann Stiftungsrat und seit 2007 Geschäftsführer der Stiftung Habitat, die sich als gemeinnützige Wohnbauträgerin in Basel für bezahlbares Wohnen in einem lebenswerten, vielfältigen Umfeld mit Begegnungs- und Arbeitsorten einsetzt. Er gründete mit anderen den Verein »Gemeingut Boden« und war Mitinitiant der Basler Bodeninitiativen und von «Basel baut Zukunft».

Erschienen in ErbbauZ 2024/3

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