Ingo Strugalla: „Kommunikation ist bei auslaufenden Erbbaurechten das A und O“

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Trotz langer Laufzeiten bleiben Erbbaurechte Verträge auf Zeit. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten bei Ablauf des Erbbaurechts, die jedoch nicht für jeden Vertrag gleichermaßen zutreffen. Deshalb ist jeder Erbbaurechtsvertrag ein Einzelfall und die frühzeitige Kommunikation von entscheidender Bedeutung für beide Seiten. Nicht zuletzt haben Erbbaurechtsgeber auch ein Reputationsrisiko. Wie diese Kommunikation optimal gestaltet werden kann, erklärt Ingo Strugalla, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Schönau aus Heidelberg.

ErbbauZ: Die Stiftung Schönau hat derzeit mehr als 13.300 Erbbaurechtsverträge. Wie bewältigen Sie die Verwaltung dieser Menge?

Strugalla: Erbbaurechtsverträge sind eigentlich ein sehr dankbares Produkt in der Bewirtschaftung. Inzwischen sind zudem fast alle Vorgänge digitalisiert und laufen in der Regel automatisiert, insofern sind keine allzu großen Personalressourcen mehr erforderlich. Wir haben in der Abteilung Immobilien neun Mitarbeiter, die 21.000 Erbbaurechts- und Pachtverträge betreuen. Größerer Aufwand entsteht erst, wenn Häuser verkauft werden, d.h. ein neuer Erbbaurechtsnehmer in den Vertrag einsteigt. Generell sind für die Bewirtschaftung großer Vertragsmengen sehr gut ausgebildetes Personal und hochwertige EDV-Tools – Stichwort ERP, DMS – freilich unabdingbar.

ErbbauZ: Nun empfinden vermutlich die meisten Erbbaurechtsnehmer die Laufzeit ihrer Erbbaurechtsverträge als ewig – eine Laufzeit von 99 Jahren umfasst schließlich mehrere Generationen. Das Ende hat man also nicht unbedingt im Blick. Ein Fehler?

Strugalla: Das hat nichts mit Fehler zu tun – es ist schlicht menschlich, nicht immer die nächsten Jahrzehnte im Blick zu haben. Aber beim Erbbaurecht ist frühzeitig sicherlich besser als zu spät. Überspitzt gesagt: Jede Stunde zählt!

ErbbauZ: Ab wann wird es also spannend?

Strugalla: Wir gehen spätestens 30 Jahre vor Auslaufen des Erbbaurechts aktiv auf unsere Erbbaurechtsnehmer zu und zeigen Ihnen die Möglichkeiten auf – denn es liegen ja beidseitig Chancen und Risiken im Auslaufen und man braucht ein Verständnis davon, welche Handlungsoptionen am Vertragsende in Betracht kommen.

ErbbauZ: Wieso ist es notwendig, jeden Erbbaurechtsvertrag individuell zu betrachten? Inwiefern unterscheiden sich die Fälle?

Strugalla: Zum einen unterscheiden sich ja gewerbliche von privaten Erbbaurechtsnehmern. Letztere lassen sich nochmals unterteilen in Wohnungserbbaurechte und private Erbbaurechte. Trotz dieser einfachen Unterteilung ist jeder Vertrag ein echter Einzelfall, denn ein Erbbaurecht muss für die Parteien einfach passend sein – passend für die Vermögensdisposition, passend für die Lebensplanung. Für manchen kann der Erwerb eines Erbbaurechts mit einer Restlaufzeit von 30 Jahren durchaus genau das Richtige sein, wenn man beispielsweise plant, den Lebensmittelpunkt zum Renteneintritt in eine andere Region zu verlegen. Manche Erbbauberechtigten wollen nicht oder haben nicht die finanziellen Mittel, die neuen Erbbauzinsen zu bezahlen und so müssen individuelle Lösungen für jedes Grundstück her. Wichtig ist einfach, die Risiken zu verstehen und eine ganz bewusste Entscheidung zu treffen.

ErbbauZ: Vorzeitige Verlängerung, reguläre Verlängerung, Rückgabe des Grundstücks oder Grundstücksverkauf: Welche Lösung kommt nach Ablauf des Erbbaurechts am häufigsten zum Einsatz?

Strugalla: Vermutlich wird das – zumindest bei uns – die vorzeitige Verlängerung sein, da eine Finanzierung beim Verkauf sonst nicht mehr möglich ist. Technisch gesehen sind die häufigsten Lösungen wohl Verlängerungen mit oder ohne Konditionsanpassungen oder eben eine Entschädigung. Klar ist das Thema Auslaufen auch immer ein ökonomisches Thema. In den nächsten 30 Jahren laufen bei uns über 1.400 Verträge aus – allein die Entschädigungen für diese würden hier im 3-stelligen Millionenbereich liegen. Insofern müssen wir austarieren, welche Verträge – mit Anpassungen – nun verlängert werden und welche Verträge wie gelöst werden können. Aber das sind immer sehr individuelle Entscheidungen und das wichtigste ist, bereits jetzt auf auslaufende Verträge hinzuweisen und gegebenenfalls schon erste Gespräche über die Zukunft zu führen.

ErbbauZ: Worauf kommt es bei der Kommunikation mit dem Erbbaurechtsnehmer an? Wieso ist Fingerspitzengefühl hier so wichtig?

Strugalla: Am Erbbaurecht hängen Schicksale. Die Frage nach dem Ende der Laufzeit hat einfach eine sehr starke emotionale Komponente: Es geht um das eigene Zuhause – da kommt beim Erbbaurechtsnehmer plötzlich ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Erbbaurechtsgeber auf, und genau dieses Gefühl möchten wir unseren Kunden nehmen. Man darf nicht vergessen, dass es für uns auch um ein kommunikatives Reputationsrisiko geht, das wir vermeiden möchten.

Wir machen daher dann alles frühzeitig transparent, kommunizieren ganz offen die Chancen und Risiken für beide Seiten. Hierfür haben wir auch extra einen Flyer ausgearbeitet (Anm. d. Red.: Der Flyer steht hier zum Download bereit: stiftungschoenau.de/app/uploads/2021/08/Flyer-Ausl.Erbbaurechte.pdf), der zeigt, welche Lösungen es gibt, der Beispielberechnungen enthält und verschiedene Optionen auflistet. Das macht die Menschen handlungsfähig und motiviert zur Reaktion und Interaktion mit uns. Zudem bieten wir Hilfestellung, wie man mit der Situation umgehen kann.

Natürlich setzt diese anspruchsvolle Kommunikation voraus, dass wir gut geschulte Mitarbeiter einsetzen, die diese Kommunikation exzellent beherrschen.

ErbbauZ: Das heißt, persönlicher Kontakt trotz Digitalisierung bleibt auch in Zukunft wichtig?

Strugalla: Nur mit persönlichem Kontakt kann man gute Verhandlungen führen!

ErbbauZ: Vielen Dank für das Interview!

Ingo Strugalla (geb. 13.8.1965 in Hannover) studierte Wirtschaftswissenschaften und absolvierte studienbegleitend den Fernunterricht zum Kaufmann der Wohnungswirtschaft. Nach verschiedenen Stationen in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft als Prokurist und Geschäftsführer baute er ab 2001 für die Deutsche Wohnen AG das Portfoliomanagement auf. Ein Schwerpunkt lag in der erstmaligen Ermittlung des Net Asset Value über eine Teil- und Massenbewertung der Wohnungsbestände. Unter der Dachmarke Stiftung Schönau führt Strugalla als Geschäftsführender Vorstand die Evangelische Stiftung Pflege Schönau und die Evangelische Pfarrpfründestiftung Baden. Zudem ist er Geschäftsführer der Prokiba GmbH (Gesellschaft für Projektentwicklung und Projektsteuerung für kirchliches Bauen in Baden mbH).

Die Stiftung Schönau

Die Stiftung Schönau ist ein Immobilienunternehmen mit Sitz in Heidelberg. Aus rund 21.000 Erbbau- und Pachtverträgen, der Vermietung von rund 900 Wohnungen, Investitionen in Immobilienfonds sowie der Bewirtschaftung von 7.600 Hektar Wald erzielt sie Erlöse, um ihren Stiftungszweck zu erfüllen. Aufgabe der Stiftung ist die professionelle Bewirtschaftung ihres Vermögens. Die Erträge daraus fließen zu einem überwiegenden Teil direkt in den Haushalt der Evangelischen Landeskirche in Baden und finanzieren kirchliches Bauen und Pfarrstellen.

Mit rund 13.000 Erbbaurechtsverträgen gehört die Stiftung Schönau im bundesweiten Vergleich zu den größten Erbbaurechtsausgebern. Ihre Grundstücke verteilen sich vor allem auf die badischen Metropolen Mannheim, Heidelberg und Freiburg. Das Stiftungsvermögen stammt aus dem ehemaligen Kloster Schönau (Odenwald). Seit ihrer Gründung im Jahr 1560 verfolgt die Stiftung die Maxime, ihr Handeln auf Dauer anzulegen und nachhaltig und verantwortungsvoll zu wirtschaften. Mit rund 80 Beschäftigten ist die Stiftung Schönau eine der ältesten Institutionen Heidelbergs. Mehr unter www.StiftungSchoenau.de

Erschienen in: ErbbauZ 2022/2

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