Über ein außergewöhnlich schönes Erbbaurechtsprojekt sprachen wir mit Notar Dr. Luitpold Graf Wolffskeel von Reichenberg, der – in privater Eigenschaft – ein Erbbaurecht am historischen Gutshof seiner Familie vergeben hat, und Roland Breunig, Gesellschafter und Geschäftsführer der „Wohnen in Uettingen GmbH“, der das Vorhaben, eine ganz besondere, moderne Wohnanlage im historischen Gewand zu erschaffen, umsetzt.
ErbbauZ: Herr Dr. Graf Wolffskeel, erzählen Sie uns doch bitte kurz etwas zur Geschichte des Gutshofs und dessen Besonderheiten.
Wolffskeel: Die Familie Wolffskeel ist seit über 800 Jahren mit Stadt und Landkreis Würzburg eng verbunden. Seit 1625 gehört auch die Gemeinde Uettingen zu den sog. „Wolffskeel-Dörfern“ und ist der heutige Sitz der Familie. Das dortige Schloss wurde von meinen Vorfahren ab dem Jahr 1818 erbaut, gehört heute meinem Vater und wird von meinen Eltern und meiner Großmutter bewohnt. Dem Schloss ist ein Gutshof vorgelagert, bestehend aus einem Gutshaus, einem sog. Schweizerhaus, Stallungen, Scheunen und großen Freiflächen. Alles steht unter Denkmalschutz. Eine zeitgemäße Nutzung des Gutshofes im bisherigen Zustand war aber zuletzt nicht mehr möglich.
ErbbauZ: Dann haben Sie nach Lösungen gesucht?
Wolffskeel: Für die Familie Wolffskeel war es wichtig, dem Gutshof wieder eine Zukunft und eine neue sinnvolle Nutzung zu geben. Zugleich war es uns aber auch wichtig, dass mit dem alten Baubestand angemessen umgegangen wird, der Gutshof in seiner Gesamtheit bestehen und der Grundbesitz der Familie auch für die nächsten Generationen erhalten bleibt.
ErbbauZ: Und an dieser Stelle kommt das Erbbaurecht ins Spiel?
Wolffskeel: Richtig, denn das Erbbaurecht ermöglicht, unsere eben genannten Wünsche zu verwirklichen. Bei einem Verkauf der Grundstücke wäre dies nicht der Fall gewesen. Daher wurde nun an den Gebäuden des Gutshofes sowie der Freifläche – das sind insgesamt über 5.800 qm – ein Erbbaurecht auf 99 Jahre für die „Wohnen in Uettingen GmbH“ bestellt. Der Erbbauberechtigte wird unter Verwendung des Gebäudebestands und unter Beachtung des Denkmalschutzes insgesamt 24 Wohneinheiten errichten, das Erbbaurecht in Wohnungs- und Teilerbbaurechte aufteilen und diese veräußern. Das Projekt heißt „Wohnen am Schloss“. Das Schloss selbst ist aber nicht Teil des Erbbaurechts.
ErbbauZ: Wie haben Sie beide für dieses große Vorhaben zusammengefunden?
Wolffskeel: Herr Breunig mit seinem Büro archicult hatte sich in der Region bereits einen sehr guten Namen gemacht und war uns daher als Spezialist für Bauen im denkmalgeschützten Bestand bekannt. Daher haben wir den Kontakt zu Herrn Breunig gesucht.
Breunig: Richtig, wir haben in Uettingen in der Ortsmitte ein größeres Projekt, ebenfalls mit Denkmalschutz, realisiert und als die Familie Graf Wolffskeel auf uns zukam mit dem Anliegen, den denkmalgeschützten Gutshof einer neuen Nutzung zuzuführen, waren wir von dem Objekt der Lage und der Atmosphäre gleich begeistert.
ErbbauZ: Welche Schwierigkeiten gab es, womit Sie anfangs vielleicht nicht gerechnet haben?
Wolffskeel: Zunächst einmal war ich mir nicht sicher, ob sich Herr Breunig auf ein Erbbaurecht einlassen wird, da das Erbbaurecht zwar bekanntermaßen eine tolle Sache, aber nicht Standard ist. Glücklicherweise verstand Herr Breunig, warum für uns nur ein Erbbaurecht in Betracht kam. In rechtlicher Hinsicht war das Projekt freilich juristisches Hochreck: Denn um genau zu sein, handelt es sich um ein Gesamterbbaurecht, das auf vier Grundstücken dreier Eigentümer – mein Vater, mein Onkel und ich – bestellt und sodann in Wohnungs- und Teilerbbaurechte aufgeteilt wurde – und dies noch in der Gestalt eines „Tausches mit Bauträger“. Hier gab es natürlich viele Einzelheiten zu bedenken und zu regeln.
Breunig: Tatsächlich war dies unser erstes Erbbaurechtsprojekt. Wir haben uns in diese doch sehr komplexe Thematik intensiv eingearbeitet, aber um ehrlich zu sein haben wir doch einige Zeit gebraucht, um uns mit dem Gedanken des Erbbaurechts anzufreunden. Bauen ist auch eine emotionale Angelegenheit und künftige Erwerber empfinden hier Nachteile. Zum einen den fortlaufenden Erbbauzins, der im Rahmen der Laufzeit doch mögliche Grundstückskosten übersteigen kann. Zum anderen hat die Finanzierbarkeit von max. 80 % des Wohnungskaufpreises einige Kapitalanleger abgeschreckt – und letztendlich muss die komplexe Thematik des Erbbaurechts natürlich den zukünftigen Erwerbern auch verständlich nahegebracht werden.
ErbbauZ: Wie soll das Projekt konkret ausgestaltet werden? Wer wird die Gebäude nutzen?
Breunig: Zum Stand September 2021 haben wir erfreulicherweise bis auf wenige Einheiten alle verkauft. Wir haben bei der Ausgestaltung der Einheiten und der Grundrisse, soweit dies der denkmalgeschützte Bestand zuließ, darauf geachtet, einen Wohnungsmix zu erzeugen, der für alle Generationen geeignet ist und eine gute Durchmischung ermöglichst. Weiter war es uns wichtig, nicht nur an Kapitalanleger, sondern an Eigennutzer zu verkaufen; die finale Quote nach Abverkauf wird bei rund 50 zu 50 sein. Wir freuen uns auf ein gutes Miteinander der zukünftigen Bewohner und haben gerade die Außenanlagen und den großen Innenhof auch bewusst als gemeinschaftlich nutzbare Fläche ausgestaltet, so wie es früher auf den großen Gutshöfen eben auch der Fall war.
ErbbauZ: Gibt es vertragliche Besonderheiten des Erbbaurechts für den Bauträger und die künftigen Erwerber der Wohnungserbbaurechte?
Wolffskeel: Uns war es wichtig, ein für alle Seiten wirtschaftlich und rechtlich ausgewogenes Erbbaurecht zu bestellen, das für die nächsten (mindestens) 99 Jahre ein gutes Miteinander der Eigentümer des Schlosses bzw. der Gutshofgrundstücke einerseits und der Erbbauberechtigten andererseits ermöglicht. Hierfür waren auch zahlreiche wechselseitige Dienstbarkeiten ein wichtiger Baustein. Da ich aus meiner täglichen Praxis weiß, wie problematisch Vorkaufsrechte sein können, haben wir zum Wohle der Erbbauberechtigten weitgehend auf Vorkaufsrechte zu unseren Gunsten verzichtet, obwohl dies durchaus üblich gewesen wäre.
Breunig: Die von Graf Wolffskeel formulierten Dienstbarkeiten habe ich anfangs gegenüber den künftigen Erwerbern als problematisch und erklärungsbedürftig eingeschätzt. Tatsächlich gab es hier jedoch seitens der Käufer so gut wie keine Nachfragen, sondern grundsätzlich Verständnis.
ErbbauZ: Herr Breunig, Sie haben bereits verschiedene Projekte im Denkmalschutz realisiert. Was war für Sie die besondere Herausforderung bei diesem Projekt?
Breunig: Dieses Projekt war aufgrund der verschiedenen Eigentümer, unterschiedlichen Grundrisse und der äußerst komplexen Vertragsgestaltung für uns insgesamt eine große Herausforderung. Im Hinblick auf Architektur, Städtebau und Denkmalschutz war es uns wichtig, die ehemaligen landwirtschaftlich genutzten Gebäude, das heißt Scheunen und Stallungen, so umzunutzen, dass die ursprünglichen Nutzungen nicht völlig überformen, sondern in Wesenszügen noch erkennbar sind und Geometrie sowie historische Scheunentore oder Fenster komplett belassen werden konnten. In einem konstruktiven Dialog mit den Genehmigungsbehörden und vor allem dem Denkmalschutz ist uns ein Entwurf gelungen, der diese Themen abdeckt und es somit möglich machen wird, diesem historischen und charmanten Gutshof mit einer neuen Nutzung dauerhaft zu erhalten. Diese gedankliche und entwurfliche Flexibilität zwischen Denkmalschutz und den Planern ist aus unserer Sicht unabdingbar, um gerade im ländlichen Bereich viele gerade größere historische Anlagen einer neuen Nutzung zuzuführen und somit vor dem Verfall zu bewahren.
ErbbauZ: Vielen Dank für die spannenden Einblicke in dieses zukunftsweisende Projekt!
Dr. Luitpold Graf Wolffskeel von Reichenberg, geboren 1988, wuchs auf Schloss Uettingen auf und fühlt sich dem dargestellten Projekt daher aus persönlicher Sicht eng verbunden. Seit 2020 ist er Notar in Bamberg und insofern beruflich mit Erbbaurechten befasst. Er publiziert regelmäßig zum Erbbaurecht, insbesondere als Autor des Kapitels Erbbaurecht im Beck´schen Notarhandbuch.
Mehr über das Projekt „Wohnen am Schloss“ finden Sie unter https://wohnen-in-uettingen.de/wohnen-am-schloss/
Roland Breunig ist Gründer des Büros archicult GmbH – breunig architekten und seit 1994 selbstständig. Das Büro mit mittlerweile 35 Mitarbeitern beschäftigt sich seit jeher mit dem Bauen im Bestand und in der Denkmalpflege, seit 10 Jahren wurde eine Gesellschaft zur Entwicklung und Umsetzung eigener Projekte gegründet. Antrieb war und ist bis heute die Realisierung außergewöhnlicher Projekte und Revitalisierung brachliegender historischer Ensembles. Bekanntestes Projekt des Büros ist die Revitalisierung des ehem. Bürgerbräu in Würzburg, umgesetzt 2012-2016, für die das Büro den Antonio Petrini Preis 2016 – Anerkennung, Pferdestall Bürgerbräu Würzburg erhalten hat.
Erschienen in: ErbbauZ 2021/5